An die Blumen

Prolog

„In den Blumen zeigt Gott den Menschen, wie lieb er sie hat.“

—J.W. von Goethe

I      Ihr Blumen, wie blüht ihr so herrlich auf, als wolltet ihr die Schönheit erfinden!


II      Denn seid ihr nicht aus Gottes Liebesblick zur Schönheit erwacht!


III      Wer euch ins Angesicht schaut, er sieht darin dieses göttliche Licht der Liebe!


IV      Denn euer lichtes Leuchten spiegelt Liebe in eurem tiefsten inneren Fühlen.


V      Ernst und schön schmückt ihr selbst eine Totenbahre, als spiegele sich euer göttliches Sein bis tief in ein ewiges
Sein.


VI      Euer Lebenslied ist wie ein leiser Ton, der ganz zart aus eurem duftenden Atem steigt. O Welt, O Duft, O
Schönheit, O Glück!
Steigt nicht auch der berauschende Maienduft auf aus dem Odem Gottes wie eine Verheißung des Paradieses
schon hier auf Erden!


VII      Ein Streiflein Morgenrot öffnet eure zarten Blütenblätter, doch im Sonnenglanze erwacht euer Leben ganz. Ihr
„duftet und blühet und leuchtet und ihr zittert“ noch im Abendglanze – trunken vor Glück – wenn eure
Blütenblätter sich wieder schließen.
O wie fühle ich eure Schönheit in mir, wie hell leuchtet sie in meiner Seele!


VIII      Der Frühling preist eure Schönheit, ihr Geliebte der Schöpfung, denn die Erde wird immer wieder jung durch die
strahlende Schönheit eures Seins.


IX      Verweilet, ihr Augen, auf den Farben der Blumen, es sind die Farben des Paradieses, seine Einkehr in unser
irdisches Sein. Spiegeln sich diese Farben nicht selig im Glück der Blumen!


X      Nur der Winter ist ohne sie! Doch Gott schenkte ihm die eine, zart duftende „Tochter des Waldes, die
Lilienverwandte, voll Reif und Duft“.
Die wunderzarte Christrose, als nährte mystisch sie „himmlischer Kälte balsamsüße Luft“!


XI      Wie lilienweiß blühst du, schöne, reine Blume, auf heiligen Altären, so gläubig schön, als blühtest du dem
Himmel entgegen!


XII      Auf einem Grab wachsen die Blumen schlafend, wie eingeschlossen in das Ewige, als ob sie leis’ in inniger
Beschwörung die „ewige Wahrheit der Natur“ verkündeten.


XIII      Da sind sie Dienende, in stiller Demut, nah und doch zugleich so fern, so wie sich Wirkliches aus Höherem
– verhüllt, tief wie ein Wunder – offenbart.


XIV      Was wäre der Sommer ohne euch, ihr herrlichen Blumen, ihr fühlet ihn tiefer, wenn er naht, in eurem
Auferblühen empor zu dem atmenden Himmel.


XV      Eure Schönheit ist Schicksal, wie unendlich schön, wie sichtbar wird darin das Göttliche, so wunderhaft wie
in den Liebenden, in denen ein Ewiges lebt!


XVI      Liebende können noch an die Liebe glauben, wenn glutrote Rosen ihre Herzen umkränzen.


XVII      Ihr Blumen, Traumgebilde, dem Himmel entsprossen, wie leuchtend werfen die Sterne euer strahlendes
Leuchten in ihrem Lichtesglanze zu euch zurück, denn leben nicht auch sie – wie die Blumen – aus
ewiger Schönheit!


XVIII      Wissen sie nicht auch von jener Wirklichkeit, aus der alles Schöne hervorgeht.
Denn schlummert nicht dieses Wissen – wie aus Urgeheimnis – in allen Dingen.


XIX      Das Vollendete entsteigt immer der Liebe!
Heilig, feierlich und unantastbar!


XX      Es ist die „ewige Liebe“, die uns mit Blumen beschenkt.
Fühlst du nicht immer erneut ihre unendliche Schönheit?


Epilog

„Denn nur das Schöne ist göttlich und sichtbar zugleich!“

—Thomas Mann

Impressionen

Eine Hommage an die „Promenade Fleurie“ in Mimizain Côte Atlantique Frankreich