Gedanken zur „Marienbader Elegie“ von J. W. von Goethe

„Was soll ich nun vom Wiedersehen hoffen, von dieses Tages noch geschlossener Blüte?“


Ach, noch einmal Jugend in strahlend - verströmender Freude zu erleben!
Etwas unsagbar Schönes, Unendliches zu fassen!
Kann denn nur ein Gott die Qual des Verlassenen mildern, nur ein “Gott mir geben, zu sagen, was ich leide”.
Überstrahlt nicht unseres Herzens Qual ein " reines höheres"…
ein überströmendes Gefühl, der Fülle einer Schöpfungsschönheit
auf ihrer heiligen Spur zu folgen,
sich ganz der “ewigen Wahrheit der Natur” hinzugeben!
Erklingt nicht immer erneut das herrliche Saitenspiel einer Schöpfung,
trunken von junger Liebe, jung und ewig, wie die Natur,
lachend einer Sterblichkeit, so fern von letztem Begehren und letztem Entsagen.
Ach, wieder frei zu sein im wunderbaren Gefühl zwischen Beginnen und Vollenden!
Enthüllt sich nicht immer erneut das Göttliche im Schönen,
in des Herzens Frühling, in dir, in mir?
Des Herzens Frühling!
Ach, ein Göttertraum aus endlos schöner Zeit.
Dieser eine, letzte Liebesfrühling,
als silberne Blüten unser Herz umschlangen,
Herzenstöne, so flammend, so wunderweit in mir erklangen,
als ich dein Herz in jedem Lächeln fühlte
und eine ganze Welt in meiner Liebe fand!
Doch wie verloren gehe ich nun über die nackte Erde
wenn der kalte Sturm an mir vorüber braust.
Wo bist du, beseelte Natur, die allein mich trösten kann?
“Die Sonne sank und sah noch, was mich freute”.
Nun ward es dunkel, nur ein bleicher Schatten noch.
Ach, meines Lebens auferstrahlend - schöner Morgen
umschlungen von den Armen einer düsteren Unendlichkeit!
“Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren”.
O sind denn selig nur die Sterne, die - ewig wandelnd -
hoch in ihrer stillen Schönheit strahlen?
Sind sie uns nicht in ihrem Leuchten als ewige Liebesboten hergesandt?
Der Geist, der ewige, nimmt aus dem Maß der Ruhe seine Kraft,
die Hoffnung ist der Liebe göttliches Verlangen.
Wie soll uns da das All, wie sollten wir uns selbst verloren sein!
Sind wir nicht mit dem Geiste und der Liebe schon aus Ewigkeit vereint!
Im Sternenraum erblüht des Schicksals ehernes Gesetz.
Der Zeiten Ferne umfasst der Kindheit Sonnenglanz
bis zu der Sterbeglöckchen Klang.
Doch in der Liebe ist im schönen Augenblicke Ewigkeit!
Nur in der Liebe - von neuer Lebenskraft durchdrungen -
erfasst das Herz die ganze Schönheit einer Welt,
erlebt es die vollkommene Freude!
In der Liebe wo wir Eins mit Allem werden.
Könnten wir jemals sterben, solange wir lieben?