Gespräche mit der Seele

Proglog

Denn alle Schönheit, o meine Seele, bedeutet Ewigkeit …

I. Bitte

Komm verschwendender Himmel,
o komm in meine Seele,
du engelsgleicher Staub
aus dem ich gemacht bin,
komm wie ein sanfter Wind
in das Meer meiner Freude,
gib meiner Seele ein Zeichen,
eine Botschaft deiner Herrlichkeit.
Auferstrahlender, als das Leuchten der Morgensonne!

II

Das unendliche Meer ist nicht weit genug
die Schönheit der Seele aufzunehmen.
Fürchte dich nicht,
denn sie könnte dich nie verlassen.
Sie umschlingt dich
wie Rosen über deinem Herzen.
Alles, was von ihr ausgeht,
bedeckt die Materie mit Liebe,
sie kennt keine verlorene Zeit.
Wie könnte sie!

III

Nie wirst du dich auflösen,
meine Seele.
Wohin wirst du gehen?
Ich will, dass du mich mitnimmst
meine Seele,
wenn du über den Fluss der Ewigkeiten fliegst,
über die Nebel der Unendlichkeit.
O meine Seele bin ich nicht Du?
Denn schenkt mir die Verbindung mit Dir
nicht die Gottheit
aus einer ewigen Ordnung?

IV

Weine nicht, o meine Seele!
Elend, Schrecken, Krieg sind Fremde in deiner Nähe.
Doch wenn deine Tränen
dennoch über meine Augen fließen,
gehe ich mit dir auf eine unterirdische Reise vor Gott,
dass er die Menschen segnet,
trotz allem!

V

Meine Seele, durchsichtig bist du wie ein Traum.
Aufgelöst wie Licht
schwebst du über dem Körper der Vergänglichkeit.
Doch wartet der Körper nicht
wie eine ewige Verheißung
auf die geheimnisvolle Kraft der Seele,
auf das Wunder der Epiphanie!

VI

O meine Seele, wenn ich träume von heiligen Rosen,
die in Blüten stehen,
fühle ich:
Du bist wie ein ewiger Frühling in mir.
Wir wandern gemeinsam
– wie der Sterne Reigen –
in den Kreisen der Ewigkeit.

VII

Ich glaube an dich, meine Seele,
in dunkler Einsamkeit,
in der Stille des Sees,
im Traume der Nacht,
doch am tiefsten, wenn du entschwebst in ein fernes, heiliges Abendglühen.

VIII

Meine Seele!
Wie erbleicht dein Licht
bei Menschen ohne Liebe,
wenn sich ihre Wege ins Dunkle verlieren.
Doch ich gehe auch in das Dunkel mit dir,
lass mich das Gefäß deiner Sehnsucht sein!
Schön ist es, wenn du an mich glaubst, o meine Seele,
denn ohne dich verlöre ich das wahre Licht,
das Licht, das mich leuchtender macht!

IX

Aus den Sternen – o wie weit –
leuchtet dein Licht zu uns, o meine Seele.
Du speist daraus deine Reinheit.
Die beseelte Natur,
die du belebst,
erzittert in deinem Strahle,
wenn der Frühlingsmorgen
aus dir erwacht.
Auch ihm ein Gruß aus dem fernen Lichte der Ewigkeit!

X

Leben und Tod sind gleich vor deinem Angesicht, o meine Seele,
denn dein tiefstes Innerstes ist transparent,
wie eine doppeldeutige Fühlung
aus dem goldenen Schimmer der Ewigkeit.
Als lichte Bildgestalt lebst du, o meine Seele, im Altarbild meines Herzens.
Und noch ein Weiteres, eine Jubelstimme, lebt darin!

XI

O meine Seele,
fühle, wie die Blumen fühlen
an einem Frühlingsmorgen,
zart in ihrem leuchtenden Gewand,
wenn sie in ihrem Duft
weit in das Leben reifen,
als wollten sie in ihrem Sein begreifen:
Dass uns ein Gott in seinen Händen hält.

XII

Du bist wie eine Lilie,
zart wie ein Madonnenschein,
auf weißen Feldern blühst du,
meine Seele, zart und rein.
Und selbst, wenn mich das Sterbeglöckchen einst umfängt
wirst du – ich fühle es –
wie Liebende, die ineinander sinken, bei mir sein!

XIII

Die Seele ist unendlich wie das Meer.
In heiligen Nächten steigt sie zum Himmel auf,
hinauf zu Gottes Thron,
als wolle sie ein Ewiges beschwören:
Den Klang, der alles auf der Welt durchdringt und bindet,
der „Ewigen Liebe“ Ton!

XIV

Wo wirst du sein, meine Seele, wenn ich sterbe?
Leicht – wie zwischen Tag und Traum –
erstrahlt die Seele noch
im Lichtglanz eines Todes.
In ihrem Doppelbereich ist alles ewig.
Ihre Reinheit, ihre Schönheit wachsen aus diesem ewigen Bereich.
Fürchte dich nicht!
Wisse, du gehst nur in einen anderen, reinen,
in einen schönverbundenen Raum!

XV

Meine Seele,
ich folge dir,
ein immer Weiterschweben,
lichtgebannt, kaum erklärbar.
Die Sterne leuchten aus der Ewigkeit in mein Herz.
Ich fasse deine Hand, meine Seele,
ganz sanft in diesem unendlichen Fallen!

XVI

Die Blumen des Lebens
wachsen immer weiter über uns hinaus,
in dir, o meine auferblühte Seele.
Du bist ihr Keim,
aus dem die Blüten treiben
in diesem wundersamen Auferstehen,
dem sich im Reifen und Vergehen
ein ewiger Himmel neigt,
wenn tief in meiner Seele
weiße Rosen schlafen.

XVII. Ein Toter spricht mit seiner Seele –

O ewige Seele, wenn sie wacht
wie eine Liebende in ewiger Nacht,
um meinetwillen,
wenn ich – mich verlierend – gleite
in ein Etwas, das ich nicht begreife,
so schön, wie Sterne hoch und weit in Bildern steh’n,
als wollten sie mir ihren Glanz aus Ewigkeiten geben,
wenn sie mich in ein höheres Licht,
in eine ewige Erwartung heben.
O meine Seele: Was erblüht so licht aus ewiger Nacht?

XVIII

Ertönt das Lied der Auferstehung nicht aus der „Engel Ordnungen“!
Wie ein reiner, feierlicher Klang
im goldenen Schimmer über der Zeit.
Aufertönend in die Zukunft eines ewigen Augenblicks.
Ich schreibe die mystische Geschichte meines Todes
mit der Schrift meines Herzens.
Ich schreibe sie als ein Lied der Auferstehung
für die Unsterblichkeit meiner Seele.
Für die Botschaft aus der Ewigkeit:
Zu lieben, immer weiter zu lieben!

XIX. Die Seele spricht mit Gott

Bin ich nicht wundersam DIR geweiht, Allgütiger,
mich zu DIR zu befreien,
widerzuspiegeln das ewige Liebeslicht
aus DEINEM allgegenwärtigen Angesicht?
Du gabst DICH hin in DEINES Sohnes reinstes Sein,
in die Tiefen DEINER Seele zu tauchen.
DEIN Wort – zwischen zwei Tönen in der Ewigkeit –
es wurde Klang, grenzenlose Gegenwart
in einem ewigen Lied, im „Lied der Auferstehung“, in Allem.
Im Lied der „Mondnacht“ ist es, dies ewige Lied,
In DEINEN wogenden Feldern, im Leuchten DEINES Abendrotes.
Es ist wie ein Auferstehen in meiner wogenden Freude vor DIR.
Ich fühle es, ich fühle wie DEIN liebendes Herz
inmitten meines Herzens schlägt!

XX. Gott spricht mit der Seele

Liebst du, o Mensch, liebst du mit ganzer Seele?
Eine Liebe, die unendlich ist, weißt du es, o Seele,
unendlich im Spiegel deiner Augen,
weißt du, dass du den ganzen Himmel in dir trägst,
tief innen, göttlich, sanft und schön,
so erhaben und schön,
wie dich einst der Todesengel in die Ewigkeiten tragen wird!
Die Gestirne strahlen den vollen Lichtesglanz des Göttlichen aus sich,
denn auch sie tragen die Krone des ewigen Lichtes.
Einst wird es tagen, dieses göttliche Licht,
für dich, o göttliche Seele,
wenn du das ferne Erdenglöckchen verlässt in die Ewigkeit!
Wisse, o Seele, noch über Gräber hinweg singt die “Ewige Liebe”,
sie klingt wie der Ton einer dunklen Flöte im Liede deiner Todesnacht,
als wolle sie sich an dich schmiegen,
diese Liebe, in deiner Todes-, in deiner tiefsten Liebesnacht!

Epilog

Meine Seele ist so weit,
o wunderbare Welt,
mich dir zu weih’n!
Ich möchte unter den Liebenden sein,
in deiner lichtzitternden Hand,
die nach mir greift,
wenn Gottes „ewige Liebe“
in mir reift!