Maria Callas in ihrer Einsamkeit

Stimme des Schicksals

Wie erzittert das Leben in der “Stimme der Seele”,
zart im Sehnen, blühend in seiner Schönheit,
wild, seltsam in seinen tiefsten Tiefen,
erglühtes Herz in umhüllter Nacht einer Schmerzensklage,
liebes-selig im Glück,
durchstrahlt mit heiligen Weihen im Liebesklang der Seele,
doch auch verlassen im weinenden Farbenklang des Lebens,
der Töne in einer Stimme, die immer die Wahrheit kündete
und doch bestimmt zu unendlicher Traurigkeit.

Stimme der Seele

Ach, ich höre dich nicht mehr, schillerndes Echo der Vergangenheit.
Wer trocknet mir die Tränen meines Blutes?
O wie kalt schreitet mir die Zukunft entgegen,
die Zukunft, nur noch ein Schatten meines Lebens, meiner Kunst ?
Schwer versinkt die Sonne im Meer meiner Hoffnung, meines Glaubens,
langsam und ach, so lautlos.
Nur meine Sehnsucht bleibt so groß,
denn im Traume singe ich sie noch, meine Töne.
O, da blüht noch einmal alles auf – zu Lieb, zu Leide –
und ich bin dem Glanze der Sterne nah,
dem Leuchten ihrer Unvergänglichkeit.
Ich trage dich, meine Erinnerung,
ich trage dich stolz, du heiliges Grab meines einstigen Glanzes,
denn vermählen sich nicht die hohen Flammen
einer unendlich wandlungsfähigen Stimme
in ihrer strahlenden Pracht mit dem Leuchten einer Ewigkeit!
Doch nun finde ich nur Traurigkeit in meinen verstummten Gesängen.
Ich will euch doch lieben, immer weiter lieben mit meiner ganzen Kraft,
lieben will ich das schwankende Bild meiner Glorie,
denn hat nicht von jeher eine höhere Liebe, eine höhere Bestimmung,
meine Liebe, mein Leiden, die Tiefe meiner Kunst umfangen?
Jetzt ist diese höhere Liebe die tiefste und leiseste von allen!

Stimme der Ewigkeit

Sie ist das Unvergängliche!
Deine Kunst, sie lebt darin – wie alle wahre Kunst –
aus ewigem Geist geboren.
Es ist das Kleine nur, das schnell vergeht,
das “ewig Weite”, der „ewig-schöne Augenblick“
in deiner Kunst geht nicht verloren!

Die Wesensmerkmale Größe, Maßlosigkeit, Unbeugsamkeit, die an griechische Gestalten der Antike erinnern, werden unter allen Künstlerinnen der Moderne allein Maria Callas zugemessen.

Das auch legt nahe, Maria Callas als eigentliche Repräsentantin einer Nation zu betrachten, die ihre Grundstimmung aus diesen Elementen des antiken Menschen tief in ihrem Unbewussten trägt.

Das Unbewusste als ein Strom von Bildern und Gefühlen – so sagt man – sei das „schöpferische Prinzip des Lebens und der Kunst“.

Die Musik vermag es, diesen tieferen Seelenstrom ins Licht des Bewussten zu heben, ihre Magie als Gestalterin von Gefühlen lässt Seelenhaftes durchscheinend machen, hör- und fühlbar, so dass die ganze schillernde Wirklichkeit der Seele erfahrbar wird durch die Kraft und den Zauber der Musik.

Als habe Maria Callas diese tiefgehenden Zusammenhänge, das seelisch Elementare darin, intuitiv erfasst und darzustellen vermocht, stand sie als Ausdruckskünstlerin allein auf einsamer Höhe.

Der Satz Birgit Nilssons: „In ihren besten Momenten war Maria Callas besser, als wir alle zusammen“ mag davon zeugen.

Sie hat der Welt in ihrer Kunst alles gegeben im Wunsche, verstanden, wohl gar geliebt zu werden.

Maria Callas hat dazu Kräfte und jene höchste Konzentration entwickelt, aus der ganz große Kunst hervor geht.

Bei einer Kunstbeurteilung kommt es darauf an, die rein künstlerischen Momente, die den Wert eines Kunstwerkes bilden, hier die Ausdruckskunst eines sängerischen Ausdrucksgenies, zu erfassen und zu werten.

Keine andere Opernsängerin drängt uns so zum Bekenntnis, wie Maria Callas, hier wird inneres Erleben zu Klang, emotio wird zu musikalischer Formwerdung, in zartesten lyrischen Passagen, im tief berührenden Liebeslaut, in rasenden Exstasen.

Die Kunstäußerung, die dabei durch einen elementaren Ausdruckswillen entsteht, verträgt keine Kritik, sondern ruft tiefste Bewunderung hervor!

Die Musik wird in solcher Durchdringung Mittel der höchsten Vollendung eines theatralischen Willens.

Die musikalische, die poetische Idee gewinnt durch die Inspiration einer solchen Darbietung gleichsam eine außermusikalische Qualität bis hin zu einer Ausdruckssteigerung ins Metaphysische.

Die Kunst der Callas ist eine Charakterisierungskunst, die es in dieser Intensität in der Entwicklung musikalischer Spannungskräfte und Spannungsbögen bisher nicht gegeben hatte.

Die Kraft „innerer Musik“ – hervor gegangen aus dem Geist und der von Spannungen und höchstem Kunstwillen durchpulsten Seele der Callas – löste und erhöhte sich gleichsam ins Schöpferische.

Den Satz Jean Cocteaus über Fischer – Dieskaus Kunst, der da lautet: „Kunst auf dieser Höhe ist der Kunst des Komponierens gleichzusetzen, sie ist schöpferische Kunst“ möchte man auch der Kunst der Callas beimessen – eine besondere Spielart des Schöpferischen!

Vielleicht tragen manche Künstler das „Reich Gottes“ in sich, um es in bewundernder Naivität einmal so auszudrücken.

Die Ideen zu einer Ausdruckskunst kommen gleichsam wie „Offenbarungen eines Höheren“ tief aus der Seele – wie ein inneres Singen des Nachschöpferischen – im tiefen Versinken in ein Kunstwerk, ratio und emotio lassen es Ereignis werden.

Vielleicht hat sich Maria Callas aus der inneren Welt ihrer weiten Gefühlsskala, in ihrer aus Liebeskraft, Wehmut, aus rächender Glut und Hingabe getränkten Seelenverfassung ausgesungen, als Urgrund außermusikalischer Kräfte, als Kontrapunkt einer Ästhetisierung des bisherigen Schön-Gesanges?

Ihre mit größter Ausdruckskunst, Zartheit und Sensibilität gestaltete Partie der Violetta in Verdis Oper „La Traviata“ wird zu einem „weltumspannenden Liebeslaut“, ja zum Liebesbekenntnis einer „vox humana“, in dem sich alle Liebenden dieser Welt wieder finden könnten, durch Gesang ein persönliches Erleben in das Allgemein-Menschliche hebend und widerspiegelnd, gleich den shakespearschen Gestalten, all das hat Maria Callas in Töne verwandelt, in singende Schönheit und in die adelnde Traurigkeit einer hoffenden, noch einmal aufleuchtenden, doch dann einsam verlöschenden Seele mit einem solch berührenden Seelenklang, der die Zuhörer zu Tränen rührte!

Aber es war kein sentimentales Weinen, es war Wahrheit, geboren aus Schmerz, Hoffnung, Vergehen und Liebe – und was man liebt, das verrät man nicht, die Wahrheit in ihrer elementaren Unmittelbarkeit und die Tränen waren Ausdruck dieser Wahrhaftigkeit eines echten Kunsterlebnisses!

Es ist wie ein ehernes Gesetz, Sterne am Kunsthimmel verbleichen, doch die Liebe bleibt, die Liebe, die der „ewig hohen Kunst“ innewohnt.

Es gibt ein Foto von Maria Callas, aufgenommen nach dem Ende ihrer Karriere, auf dem sie einsam am Fenster ihrer Wohnung in Paris steht und in eine grau verhangene Ferne blickt.

Hier setzt das Gedicht „Maria Callas in ihrer Einsamkeit“ an. Als ob ihr Blick, ihre göttliche Stimme, wie aus einem verschwebenden Traum zu uns sprächen:

– Noch einmal die sehnenden Hände der Welt entgegen strecken, um in aufrauschenden Tönen den Himmel zu fassen. –

Und die schimmernde Hülle des Himmels neigte sich der Kunst!

In den Herzen der Menschen lebt der Gesang dieser großen Sängerin unverändert und erstrahlt weiter über das Dunkel der Welt als ein Gruß von „La Divina“!

Ein Gruß unendlicher Schönheit des Gesanges, des Glückes aus der „Stimme des Schicksals“, aus der „Stimme der Seele“, aus der „Stimme der Ewigkeit“.