OdaliskeWeil wir den Himmel haben …
Eine so verführerisch hin gegossene „Odaliske“, wie sie das Gemälde Ingres zeigt, wurde im 19. Jahrhundert gerne von europäischen Malern im Bild festgehalten – eine liegende Venus – die vor allem auch Manet mit seiner „Olympia“ so faszinierend schön malte!
Matisse malte eine „Sitzende Odaliske“.
Der orientalisch anmutende Hintergrund wirkt dabei gleichsam wie eine musikalische Gestaltung aus einer farblichen Leuchtkraft, die sich mit der Sensitivität dieser Figur paart gleich einer einsamen Seele, die in ihrem Blick rückwärtsgewandt eine vornehme Zurückhaltung imaginiert, die selbst den nackten Brüsten einen keuschen Zauber verleiht.
Die stattliche „Ahnenreihe weiblicher Akte und Darstellungen“ führt letztlich – auch in der Skulptur – bis hin zur römischen „Venus“ und der griechischen „Aphrodite“.
Auch Goyas „Maya“ gehört zu diesem Genre weiblicher Akte – man möchte geradezu sagen „weiblicher Attraktionen“ – und im Katalog des Prado Museums in Madrid ist heute noch zu lesen von einem Doppelrahmen, mit dessen Hilfe man die unbekleidete Version hinter der bekleideten verschwinden lassen konnte!
Vielleicht waren die Spanier ein wenig prüder, als die Franzosen, denn Goya musste sich schließlich noch vor dem Inquisitionsgericht wegen der Abbildung der „Nackten Maya“ rechtfertigen!
Doch es gab große Vorbilder:
Tizians „Venus“, gemalt als Auftrag von Guidobaldo II. de la Rovere, dem Herzog von Urbino, ein Bild, das jetzt die Uffizien in Florenz ziert und uns zeigt, dass auch schon damals Schönheit in ihrer Körperlichkeit als etwas Vollendetes dargestellt und bewundert wurde.
Hier setzt Tizian malerisch sein berühmtes „Sfumato“ ein, das den Körper atmosphärisch mit seiner Umgebung verschmilzt.
In ihrer rechten Hand hält die junge Frau eine rote Blume, die auf ein zartes Erleben deuten mag, die flutenden Haare geben der Gestalt etwas „Ursprünglich – Paradiesisches“, gleich einer „malerisch-gedichteten Vision“ von Schönheit!
Diese Versunkenheit in das Schöne – gleichsam wie ein Sichverlieren in selige Höhen einer seraphisch-intimen Zwiesprache mit dem Betrachter – findet sich auch in Giorgiones Bild der „Schlummernden Venus“, man empfindet eine geradezu ästhetisch verschwebende, musikalisch anmutende Linienführung in den Bildern dieser beiden Maler, die in der Gesamtwirkung von Farbe, Form und im Ausdruck der preisenden Schönheit, trotz aller Nacktheit der weiblichen Gestalt, eine Reinheit ausstrahlen, die gleichsam wie ein religiös erklingender Lobgesang an das triumphale Schönheitsgefühl der Renaissance anmuten.
So ließe sich der Reigen „großer Schönheiten“ immer weiter fortsetzen mit Canovas „Liegender Pauline Borghese-Bonaparte“, die unbedingt in die Rolle einer antiken Gottheit schlüpfen wollte.
Diese Plastik steht heute noch in der Villa der Fürsten Borghese in Rom.
Aber auch eine andere, ganz anders geartete Skulptur, verdient besondere Beachtung, Thorvaldsens Figur der „Hoffnung“, die Bildsäule der „Spes“ mit einer Lotosblume, die die Berliner Grabstätte der Familie Humboldt im Park des Tegeler Schlosses krönt.
Die Figur der „Spes“ wird dargestellt als ein gleichsam schwebend dahin schreitendes Mädchen.
In ihrer rechten Hand hält sie eine Blume, die der heroischen Figur, insbesondere auf der Säule eines Grabmals, etwas rührend Ergreifendes gibt, so als wolle sie – noch im letzten Atemzuge – ihre Liebe zum Leben und zur Schöpfung festhalten!
Stil und Ausdrucksart des Bildhauers Thorvaldsen sind von der klassizistisch-poetischen Idee der „Goethezeit“ geprägt, aber ebenso von seinem Aufenthalt in Rom.
Dort war er auch Präsident der Akademie der Schönen Künste Santa Luca.
In Rom schuf Thorvaldsen – bewundert in seiner plastischen Ausdruckskunst – zudem das Grabmal des Papstes Pius VII.
Seiner Formkunst war Goethes Harmonie, die dieser im Spiel des bewegten Lebens, in aller Schöpfung, in der Kunst empfand, nicht fremd.
Die Rundreliefs der „Vier Jahreszeiten“, entstanden 1836, zeugen davon.
Naturbedingte Symbolik und bildende Kunst verschmelzen hier miteinander, zugleich auch als Symbolik der Zeit, als Darstellung der Lebensalter, ihres Werdens und Vergehens.
Befasst man sich mit Goethe und seiner geistigen Welt, der in der Kunst vor allem das Klassische verehrte, dessen Ausdruckssteigerung in der Dichtung so belebend und bedeutend war, der alle Strömungen des modernen Geistes mit seinen schöpferischen Eingebungen und Gedanken bereicherte, wird man wie auf Flügeln zu ungeahnten geistigen Höhen geführt, gleichsam auf erklingend wie das bunte Farborchester einer geistigen Monumentalsinfonie, belebt durch sein mächtiges Erkenntnisstreben, seiner Liebe zur Welt, ihrer Erscheinungen, ihrer Schönheit, der Hinführung zu einem verwandelten Lebensgefühl aus jenem geheimnisvollen goethischen Seelengrunde, der zu immer neuen Offenbarungen führt!
Wie tief durchlebt, durchdacht und durchfühlt hat Goethe aus seinem tieferen Wesen auch das tiefere Wesen der Dinge erfasst, wie innerlich frei muss er gewesen sein, um das Wesen fremder Dinge und Erscheinungen, Gedanken und Geistesströmungen in sich aufzunehmen, um sie aus der Fülle seiner eigenen schöpferischen Kraft verwandelnd zu gestalten.
Aus allem, aus dem Spiel des bewegten Lichtes, seiner Farben, aus Architekturen, aus der anthropologischen Betrachtung des Menschenbildes, aus dem inneren Quell der Mystiker, dem Beziehungsgeflecht philosophischer Gedanken, aus Erfindungen, aus seiner eigenen Gedankentiefe und künstlerischen Reife, erwuchsen in ihm die Ideen einer Weltschau mit all ihren Offenbarungen aus einem geistigen Tiefblick, der in Welten beheimatet ist, die nur das Genie zu erfassen vermag, zugemessen aus einem Lebensgesetz, das aus einer eingeborenen Bestimmung das Genie hinauf führt zum Lichte gleich einem Hüter „ewiger Gesetze“!
Dieses Leitmotiv des goethischen Lebens auf eine höchste Ebene gehoben, im Künstler zum reinen, geistigen Bild entwickelt und darin das Erfassen der „Ewigkeit des Augenblicks“ – verdichtet in einem Kunstwerk – aufleuchten zu lassen, lässt zugleich an die hohe Kunst Dietrich Fischer-Dieskaus denken, der in seinem Liedgesang – offen für die zartesten Nuancen einer Verschmelzung von Wort und Ton – diesen „leuchtenden Augenblick“ erfüllt und uns damit gleichsam zu einer Andacht vor der „heiligen Kunst“ empor führt – vielleicht im unbewussten Anklang an Hölderlins Worte -
„ … dass der Dichter die Blitze der Götter auffängt und ins Lied gehüllt dem Volke weiter reicht“.
Denn ist der Sänger einer solchen Bestimmung in seiner Kunst nicht immer treu geblieben!
So ist eine jede Kunstform, sei es die bildnerische Kunst, die Form der Plastik, die Dichtung, die Musik mehr als nur ein rational gestaltetes Werk, sie ist in ihrer geistig-erfinderischen Kraft immer auch Ausdruck einer Kulturepoche, ihrer Kulturseele und aus diesem beseelten „inneren Klang“ wie eine Verheißung, die den Schimmer einer Erlösung zu uns trägt!