Schöpferisches Wirken

Wenn Geist erwacht und Augen sehend werden,
erstehet wie ein Hauchen, das aus einem Traum vollendet,
ein Sinn, der offenbart aus jener Kraft,
das aus Unendlichkeit hinausdrängt
und sich in Sein verschwendet.


Aus Traumbereich und Wirklichkeit zugleich
erwachet schöpferisches Ringen,
das aus dem Traum Zusammenhänge schaut
und jene Größe ahnt, im Denken sie erfüllt,
und die Gestalten innerer Bilder formend aus sich befreit.
Geist gestaltet, Wesen nur beseelt, beides ist Durchdringen.


Aus Unermesslichkeit, die sich entfaltet
und aus Unbestimmtem baut,
wirft Übergröße tief in angespannte Stille
den Schatten eines Einsamsein.
Wirkend aus seinem Maß strömt Dargestelltes, Äußerstes,
in neu gewonnenen Raum,
das sich wie Schöpfungsatem aus sich selbst betaut.


Ein Ton genügt, ein leiser Strich aus einer Farbe Weh,
schon stürzt der Funke, der erhellt,
in deines Herzens Tag hinein.
Schöpferische Weite ist Gestalt,
zu Atem eines höchsten Bildes gewandelte Idee,
die eines Meisters Hauch verströmt
als seiner Innigkeit und Größe Widerschein.


— An Dietrich Fischer-Dieskau – Klangvisionen eines Vollendeten —

Dieses Gedicht wurde für Dietrich Fischer-Dieskau geschrieben. Er hat mir zurückgeschrieben, das Gedicht gebe ihm Bestätigung. Schon der Titel dieses Gedichts verweist auf eine Aussage Jean Cocteaus, dass Fischer-Dieskaus Kunst auf einer so hohen Stufe stehe, dass sie der Kunst des Komponierens gleichzustellen sei; sie sei schöpferische Kunst. Bei der letzten Strophe dachte ich daran, dass Fischer-Dieskau es sogar vermag, den Hörer mit einem einzigen gesungenen Ton zu erschüttern, mit „einem leisen Strich aus einer (Ton-)Farbe Weh“ – man denke z.B. allein an das gesungene Wort „asabthani“ aus der „Matthäuspassion“.