Weihnacht– Du meines Herzens liebstes Lied –

Du meines Herzens liebstes „Lied“
aus deinem Klange tönt
die Frohe Botschaft eines Engels,
die alle Welt durchzieht.
In Heiliger Nacht kam Frieden aus dem Sternenraume,
der Finsternis und Licht versöhnt.


Der Engel sprach im Glanz der Wahrheit:
„Fürchtet euch nicht!
Ihr seid von Gottes Sohn erkoren“!
Das Dunkel schwand.
Die Erde leuchtete so seltsam weit
aus einer großen wunderbaren Klarheit!


 

Ist es nicht, als könne man dieses „Lied“ nur tief innen mit der Seele erfahren, so als käme es zu uns aus dem weit geöffneten Himmel, dass es auch weit über alle Welt erklinge und dennoch zutiefst nahe ist, weil es dem Herzen nahe ist, weil es in seiner ewigen Gegenwart eine ewig heilige Botschaft verkündet, die Botschaft der „Geburt in der Heiligen Nacht“, diese heilige Nacht, die von einem Geheimnis kündet, von einem Frieden weiß, der allen Menschen widerfahren wird, eine ewige Sehnsucht, die in die Weite und zugleich in die leuchtende Erinnerung der Kindheit und Jugend zurück geht, diese Sehnsucht, die geheimnisvoll, den schimmernden Glanz der Weihnacht und zugleich eine Weltempfindung atmet, wie sie der Engel den Menschen in der Heiligen Nacht verkündete: „Fürchtet euch nicht. Ihr seid von Gottes Sohn erkoren“!

„Ist es nicht, als streife uns aus dieser „ewigen Nacht“ immer erneut der Atem des Himmels!

Dieses ewige „Lied“, in dem irdische und überirdische Ausdrucks- und Empfindungswelten in einer Einheit zusammen klingen – sie kann der Mensch nur staunend erfahren.

Wie tief hat J. S. Bach dieses tönende Universum der göttlichen Liebe, aus der im Tiefsten auch die Kunst lebt, in seinen Werken erklingen lassen, so weltenweit, wie der Instrumentalist, Pablo Casals, es einmal ausgedrückte: „Das Wunder Bach hat sich in keiner anderen Kunst ereignet, eine Kunst, die göttliche Züge annimmt, eine Musik, die den vergänglichen Dingen Flügel der Ewigkeit verleiht“!

Das „sakrale Lied“ J. S. Bachs, das um die Verbindung zum Göttlichen weiß, schmiegt es sich nicht zugleich einem tieferen Leben an, einem Leben, das von einem höheren Glücke weiß, in dem das Mysterium eines Persönlich – Überpersönlichen, das Geheimnis eines Göttlichen lebt!

„Offenbarungen eines tiefen Gottvertrauens“, so könnte man das kompositorische Werk Bachs nennen, dieses immer an das Göttliche gemahnende „Lied seines Lebens“!

Von diesem tiefen Gefühl eines Einssein mit Gott wurde Bach sein ganzes Leben lang erfüllt und getragen, dieses Transzendente in der Tiefe der Bachschen Seele leuchtet für immer; ertönt es nicht auch so strahlend auf in den „Bach-Trompeten“, die uns im Weihnachtsoratorium so hymnisch-erklingend eine höchste Glorie des göttlichen Kindes verkünden.

Bachsche Musik zu hören ist geistiges Hören eines religiösen Weltbildes, erklingend aus einem Geiste tiefer Gläubigkeit in der spirituellen Gebundenheit an das Göttliche, gleichsam wie ein aus Ewigkeit aufleuchtender Klang, der Gott und Menschen verbindet, ein Klang, wunderhaft, ewig, zeitlos, wie die ewig zeitlose Schönheit der Natur, so als atmeten „Tonschöpfungen“ und „Schöpfungen der Natur“ aus den gleichen göttlichen Gesetzen.

Dieses „göttliche Maß“, aus dem auch das Weihnachtsgeheimnis als des „Herzens liebstes Lied“ aufertönt, aus dem gleichsam immer wieder das kindlich froh – erklingende Herz erwacht in unaussprechlicher Freude, in froher Erwartung, als erstrahle das Leben plötzlich aus einem neuen Glanze, als schwebe die Seele wie auf leisen Schwingen hinauf bis in den Himmel.

Seine grenzenlose Gegenwart trägt uns in eine Welt – die Weihnachtswelt – die gleichsam Wunder schafft, ein Wunder aus „Gottes ewigem Rat“, der „Finsternis und Licht versöhnt“ in einem armen Stalle, in dem sich des tiefsten Welten – Wesens Wunder kund getan, licht strahlend wie nur Gott erhellt, ein Bild – aus geweihtem Glanze – das sich wie aus ewiger Schönheit als inneres Bild in unserer Seele malt, so heilig fromm, so still leuchtend, wie sie das Quattro- und das Cinquecento so überirdisch schön erschufen in Glaubensbildern – so seltsam zart – als höbe sie die göttliche Liebe selbst in das Licht.

Dieser zarte Hauch der Herrlichkeit, ertönt er nicht auch so mild und tief in der Komposition des „Schlafenden Jesuskindes“, dieses meditativen Gedichtes Eduard Mörikes, das Hugo Wolf so weltenzart vertonte, als schlafe das Kind inmitten seines Herzens!

Die Musik, das Lied, – des „Herzens liebstes Lied“ – als Gefühlskünderin von Stimmung und Atmosphäre, das die Poesie des Dichters aufnimmt!

Dichtung und Musik verbinden sich gleichsam im erlösten Klange eines heiligen Augenblicks!

Das Lied, das es vermag, das Größte im Kleinsten zu offenbaren!

Versetzen uns nicht alle Weihnachtslieder in ihrer schlichten Frömmigkeit in eine erhobene Welt, Lieder, die von einem Kinde singen, das vom Himmel herab gestiegen ist, um die Welt zu erlösen!

Klingt aus dem Liede „Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring euch gute neue Mär …“ nicht diese erlösende Botschaft!

Und umblüht uns diese Botschaft nicht wie ein Traum, aus dem einst aus dunkler Zeit eine ewige Stimme Jesaja die Worte sprechen ließ: „Es wird ein Zweig aufsprossen vom Stamme Jesses“.

Das tausendfache Fühlen einer Weissagung, die Erfüllung fand, wie es uns das Lied kündet:

„Es ist ein Ros’ entsprungen aus einer Wurzel zart …“!

Und fernes Glockenläuten, sein wundersamer Klang – wie ein heiliger Ton – in der Weihe dieser Nacht, die aus ewigem „Wort“ über alle Welt erstrahlt!

Natur und Geist, darin diese Kraft reift, künden von ihrem Anbeginn!

In einem Kunstwerk stellt sie die hohe Einheit von Form, künstlerischer Inspiration und Gedanke dar.

So kann man die Werke Bachs, Michelangelos und anderer grosser Künstler in ihrer Gültigkeit oder die Kathedrale von Chartres in ihrer Vollendetheit mit einer vollendeten Gestalt der Natur vergleichen.

Die Idee erschafft in Kunstwerken, wie in der Kathedrale von Chartres, eine neue Realität, sie wird als Form sicht- und fassbar – und doch ist mehr in dieser Kathedrale: Eine weitere Dimension leuchtet darin, die sich nicht als Form ausdrücken lässt, eine Dimension, die aus Gefühl, aus Intuition erwächst, die in engster Berührung steht zu etwas Elementarem, das man wie einen ungeheuren Aufschwung erfasst, ein geistig-seelisches Erfassen, das gleichsam in etwas Numinoses hinein gesogen wird, wir nennen es metaphysisches Geheimnis, losgelöst von aller Form; in der Musik findet es seinen ganz eigenen, leisen Ton.

Vielleicht ist diese geheimnisvolle, metaphysische Idee die höchste Vollendung in allen Kunstformen, auch in der Baukunst, es ist eine Erhebung in eine gleichsam überirdische Sphäre; bei den Mystikern findet man diese Erhebung in ihren ganz außergewöhnlichen Seelenzuständen.

Ordnungen und Gesetzlichkeiten scheinen einer anderen Ebene anzugehören.

Eine metaphysische Erfahrung bedeutet Losgelöstsein von aller Erdenschwere, eine Berührung, ein Erfaßtwerden von einem höheren Sein, das Spüren eines Atems des Schöpferischen, des göttlich Schöpferischen, ein Atem, der zu uns weht und sich bekundet in den Genie-Leistungen von Kunstwerken, die gleichsam ein geistig-ideelles Bild göttlicher Schöpfung darstellen als künstlerische Schöpfungen, die immer dieses metaphysische Geheimnis in sich tragen.

Vielleicht erfassen Bauwerke wie die Kathedrale von Chartres damit zugleich ein Prinzip, ein ewiges Prinzip, das in ihnen reift wie es auch in einem auferblühenden Baum reift und aufleuchtet: Das Prinzip der „Harmonie und Schönheit der Welt“, wie es sich in den metaphysisch – konstruktiven Kräften dieser Kathedrale spiegelt als der innere Klang einer „harmonia mundi“.

Vielleicht erweckt diese Kathedrale deshalb den Eindruck, als sei sie gleichsam von heiligen Händen erbaut.

Nach einer Äußerung des englischen Kunsthistorikers Kenneth S. Clark gehe von dieser Kathedrale eine „sinnlich-emotionale Wirkung von höchster Kraft aus, so als scheine der gesamte harmonische Raum einem natürlichen Harmoniegesetz folgend der Erde entwachsen“.

Ist es nicht dieses „geistige Licht“, das die Kathedrale von Chartres so leuchtend macht, wie es uns die Worte sagen:

 

„Schwingung des göttlichen Lichtes,
verwandelt zu weiterwirkender Kraft,
die Reinstes durch Menschenhände erschuf
aus Geist, der Ewiges erfühlte
und weiter tönt wie ein von innen blühender Gesang
in einem Stein gewordenen Ruf.“

So kann man hinein hören in einen Weltenklang, der tief innen auch im Menschen ist, hinein lauschen in den „Klang der altvertrauten Weihnachts-Lieder“, die gleichsam ein tönendes Gewand tragen, gewebt aus Tönen eines metaphysischen Welten-Liedes, erklingend aus dem sanften Sieg einer ewigen Schönheit.

Und immer ist es ein leises Lied, das sein Seligsein in sich trägt, das leise verströmende Lied der „Stillen, Heiligen Nacht“:

„Stille Nacht, heilige Nacht!
Alles schläft, einsam wacht
nur das traute hochheilige Paar.
Holder Knabe im lockigen Haar,
schlaf in himmlischer Ruh’,
schlaf in himmlischer Ruh’.“

Dieses Lied war – schon bei seinem ersten Erklingen – von ergreifender Wirkung und die Überlieferung sagt uns, dass die Frau des Komponisten Franz Xaver Gruber nach dem Gottesdienste zu ihrem Manne sagte:

„Lieber Franzl, dieses Lied wird man noch singen, wenn wir zwei längst gestorben sind“.

Heute erklingt dieses Lied in der ganzen Welt, gleichsam als wolle es hinauswachsen über alle Länder und Völker, hinauf bis zum Himmel als ein anbetender, nie verklingender Gruß an das „Kind im Stalle von Bethlehem“!