„Zeitreise“Wesen und Wirkung eines Kunstwerkes

Bild von Marika Bergmann
Bild von Marika Bergmann

Wirkung und Leben eines Kunstwerks bestehen in seinem Ausdruck.

Zu einem ästhetischen- oder Kunsturteil gehört immer die innere Berührung des Betrachters, sein Erfasstwerden durch die Ausstrahlung des Kunstwerkes.

Eine geistige Grundgestalt wird künstlerische Form, der eine bestimmte Seelenverfassung des Künstlers zugrunde liegt, die unzertrennbare Einheit, die sich im Kunstwerk manifestiert.

Das Bild „Zeitreise“ der Malerin Marika Bergmann stellt einen Mädchenkopf dar, hineingestellt in eine Farbumwelt von irisierender Schönheit, es blickt den Betrachter an, scheint aber zugleich weit über ihn hinaus zu schauen in die imaginative Präsenz einer kontemplativen Ferne.

Eine eigentümliche Lebenskraft geht von dem Gesicht aus, man fühlt sich von dieser Kraft getragen, der Blick des Gesichtes ist wie ein Schauen in eine ferne, kommende Zeit – eine Zeitreise – als Sinnbild des menschlichen Lebens, aber auch seiner Vergänglichkeit, des unaufhörlichen zeitlichen Fortgangs, der letztlich zu der Frage führt: Wo ist ein Bleiben?

Das Dasein als beständige Reise, einer Reise des Erkenntnisprozesses, thematisiert auch Goethe in seiner Faustdichtung.

Faust, der ewig Unrastige, nach Erkenntnis Strebende, findet seine Erfüllung nicht darin, zu entdecken, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, sondern er findet sie im Dienste einer Aufgabe für die Gemeinschaft, die ihn die Worte sprechen lässt: „Zum Augenblicke dürft’ ich sagen: Verweile doch du bist so schön! Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn …“

Die „Zeitreise“ im „Faust“ führt letztlich in die Erlösung durch die Gnade, „Fausts Unsterbliches“ erfährt eine höchste Offenbarung im ertönenden Lobgesang des Himmels und wenn die mater gloriosa die Worte spricht: „Komm hebe dich zu höheren Sphären, wenn er dich ahnet, folgt er nach …“ ist hier der Weg in die Gloriole zum Allerhöchsten aufgezeigt, zum Mystischen, das über allem Erkennen steht.

Die Harmonie dieses geheimnisvollen, verschwebenden Geschehens wird in Goethes Worten gleichsam zu Klang.

Ein „genießendes Verweilen“ im Sinne einer goethischen Anschaung tritt auch im Erschauen des Bildes „Zeitreise“ hervor, vermittelt durch die außerordentliche Schönheit dieses Werkes.

Die flimmernde Farbwirkung der Lichtbrechungen bewirkt eine aufstrahlende, reflektierte Helligkeit, sie erscheint als Abglanz und Ausdruck eines schöneren, ins Licht führenden Seins, man könnte auch sagen, eines „Goethischen Seins“, das bei ihm zwar nicht in bildnerischer, sondern in literarischer Anschaung erstrahlt.

Diese Strahlenwirkung vermittelt das Bild „Zeitreise“ allein schon in seiner bildnerischen Gestaltung. Strahlen gehen nach allen Seiten hin aus, vom Kopf des Gesichtes, von seinen Augen, vom Strahlenkranz, der den Hals umgibt und auch der weiße, wie Eiskristalle anmutende Sockel, erscheint in verdichteter Form strahlenhaft.

Die dunkleren Farbschattierungen um das rechte Auge herum könnten auf eine imaginative Selbstentfremdung verweisen, sie könnten aber auch auf einen existentiellen Ernst hindeuten im Wissen: Wer sich so tief auf eine Zeitreise durch das Leben einlässt, hat oder wird auch die Düsternisse und dunkleren Seiten des Lebens erfahren, er wird Verwandlung erleben.

Ein verknüpfender Zusammenhang, allein schon durch die Präsentation, ergibt sich auch mit dem Kopf der ägyptischen „Nofretete“.

Eine bildhauerische- und eine bildnerische Formengemeinschaft fällt auf.

Ein Kopf, ein Gesicht, gleichsam aus der Alltagsgegenwart gehoben, blickt in Zeit und Ewigkeit. Er spiegelt zugleich auch die Erlebnis-Zeit einer künstlerischen Erfahrung. Altertum und Moderne werden über alle zeitliche Distanz hinweg integrierende Bestandteile durch die Kunst als zeitlose Kontemplation im Strome des Lebens und der Zeit.

Dass sich darin eine Ganzheit darstellt erscheint wie ein Geheimnis, ein Aufsteigen in die Transzendenz!