Zur Aktualität göttlicher Wahrheit in der Kunst– dargestellt am Beispiel der Musik –

Prolog

Zur Kunstwahrheit und zum Geheimnis von Kunst hat sich R.M. Rilke in einer theoretischen Schrift geäussert. Seine Worte lauten:

„Und in diesem Sinne scheint der Künstler noch über dem Weisen zu stehen. Wo dieser bestrebt ist, Rätsel zu lösen, da hat der Künstler eine noch bei weiterem grössere Aufgabe, oder wenn man will, ein noch größeres Recht. Des Künstlers ist es, das Rätsel – zu lieben! Das ist alle Kunst: Liebe, die sich über Rätsel ergossen hat und das sind alle Kunstwerke: Rätsel, umgeben, geschmückt, überschüttet von Liebe!“

I      Ich höre deine Töne – ewige Musik – und mein Herz erblüht wie die Rose aus
den Tautropfen eines morgendlichen Glanzes.


II      Du erweckst das Saitenspiel meiner Seele, weil ich den göttlichen Ton daraus
vernehme, der meine Saiten tiefer erklingen lässt.


III      Der Klang auf der „Harfe deiner Liebe“ überwältigt und übersteigt uns.
Ich versinke in den auferstrahlenden Oktaven einer Seligkeit.


IV      Die leuchtende Berührung meiner Seele ward zu Klang, zum Liebesklang, der
um das Gestirn deiner ewigen Hoheit kreist.


V      Musik, du mein Eigendstes und zugleich ein Göttliches, du ordnender Klang
der Natur, wundersam, kunstvoll und unendlich schön.


VI      Aus dir werden alle Dinge reich!
Musik, du unendlich Geliebte der Schöpfung. Ein Engel trug dich auf seinen
goldenen Schwingen zu den Menschen in aufrauschender Seligkeit.


VII      Wer dich aus den ewigen Harmonien heraus bricht, der erhebt sich gegen
Gott. Der Ringende aber erkennt Gott im tiefsten aus der Musik, unbegrenzt
in ihrer unendlichen Schönheit.


VIII      Ich möchte eins werden mit euch, ihr herrlichen Töne, rauschend wie ein
Regen auf die Blumen fällt.
O, wie will ich dich lieben, schöne Welt!


IX      Wie erhaben seid ihr, aufsteigende Töne im heilig-sakralen Raum, wenn uns
Bachsche Klänge umschweben.
Wie reich ist unser Leben!


X      Höre mich, o Gott, ich hebe meine Hände in die tönend-heilige Stille.
Tönt nicht daraus das ewige Schöpfungswort: Es geschehe dein Wille!


XI      Ich glaube an die Kraft grosser Musik.
Ich glaube an heilige Nächte.


XII      Ich liebe dich in deinem Sange, da ich so tief gereift in deinem Klange.
Du hebst mich auf die höchsten Höh’n, so wie ein Strahl am Himmelssaum,
noch zarter, als ein Traum in einem Traum.


XIII      Und immer weiter schwingt in ewigen Harmonien unser Sein.
Musik, ach du bist gross und wir sind klein!


XIV      Die Luft erweitert sich ins Unermessliche, wenn uns Musik in ihrer
Herrlichkeit umweht. Ein Zauber der uns immer neu verwandelt, auch wenn
der Ton vergeht.


XV      Und eine Ahnung von Unendlichem – in ihrer Schönheit über Irdisches
entrückt – überstrahlet Raum und Zeit.
Es ist, als ob Musik uns immer neu verkünde, ein Liebestönen aus der
Ewigkeit.


XVI      Klinge immer weiter ewige Leier – von den Harmonien eines Göttlichen
getragen – als wollten sie aus ihrer Schönheit sagen:
„Du musst glauben, hoffen, wagen“!


XVII      In diesem Glauben, darin wie eine Wunderkraft, ein Gefühl von Schönheit
lebt, spürst du leise ein geheimes Schöpfungslied, das durch alle Dinge
geht.


XVIII      Wenn sich die Knospe deines Lebens-Liedes öffnet und wie ein
auferblühender Choral erklingt, dann lausche dieser sanft-geweihten
Melodie, die uns ein Engel aus dem Einklang mit der Schöpfung singt.


XIX      Musik geht ewig aus Ewigem hervor, eingebunden in die ewige Liebe.


XX      Denn die Musik kommt aus dem schöpferischen Geheimnis der Liebe.
Die Wahrheit eines Göttlichen heiligt und behütet sie darin als das
Unantastbare, das immer war, das immer ist und immer bliebe!


Epilog

„Kunst ist das tief innere Geständnis von Liebe“

In einem Kunstwerk mit seinem geistig-seelischen Gehalt verschmelzen rationale und irrationale, geistige, metaphysische und naturhafte Elemente zu einer Einheit, doch ihr tiefstes Wesen wird letztlich unerklärbar bleiben.

Wenn Goethe ein Kunstwerk aus jener produktiven Kraft entstehen lässt, die ein Kunstwerk vollbringt, „das vor Gott und der Natur bestehen kann“, ist es, als ob ein Kunstwerk seine Ausstrahlung nach allen Seiten hin versendet, in die geistige, in die seelische, in die sinnliche und nicht zuletzt in eine göttliche Ausdeutung.

Es dürften vor allem spirituelle Gründe sein, der Eingang metaphysischer Schönheit eines Göttlichen in das Werk, das ihm seine überzeitliche Gültigkeit verleiht.

Es gibt Werke in der Musik, von denen man meinen könnte, Gott habe ihnen – über die Noten hinaus – eine göttliche Wahrheit geschenkt, man denke an die H-Moll Messe von J S Bach, auch an andere Werke dieses Komponisten, auch Mozart und Beethoven gehören dazu, swie das ins überirdisch Schöne entgleitende Adagio aus Schuberts Streichquintett in C-Dur, das uns in edelster Erhebung zu Gott empor führt.

Es offenbart uns zugleich das metaphysische Geheimnis der Kunst, in der die überirdische Welt einer irdischen im mysterium magnum eines Göttlichen begegnet eingebunden in diese göttliche Wahrheit, die vielleicht die Musik am tiefsten zu erfassen vermag.

Die Liebe ist die verbindende Kraft und Symbolträgerin eines Kunstwerkes und in das, was rational nicht mehr ausdrückbar ist; es schwingt darin die göttliche Wahrheit in höchster Bedeutung!